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Eine kurze Geschichte der Transpersonalen Psychologie

 

Diese Seite informiert über die Geschichte der Transpersonalen Psychologie und Psychotherapie, die ihr Mitbegründer Abraham Maslow (1968) als die vierte Kraft in der Entwicklung der Psychologie- und Psychotherapieschulen bezeichnete.

Nachdem der Behaviorismus und die Verhaltenstherapie als eine auf strengen wissenschaftlichen Kriterien basierende Gegenkraft zur deutungsfreudigen und subjektivistisch geprägten Psychoanalyse entworfen wurde, antworteten Carl Rogers, Abraham Maslow und Fritz Pearls wiederum mit einem Gegenentwurf, der als die Humanistische Psychologie und Psychotherapie bekannt wurde und als dritte Kraft in die Geschichte der Therapieschulen einging. An der ersten Kraft, der Psychoanalyse, bemängelten sie, wie C.G. Jung auch schon, die Reduktion des Menschen auf eine von Trieben determinierte unterbewusste Dynamik von Affekten und Reaktionsimpulsen. Am Behaviorismus und der Verhaltenstherapie, der zweiten Kraft, kritisierten sie die Ausklammerung innerpsychischer Vorgänge, also die Verleugnung des Subjektiven. Stattdessen entwickelten sie ein Menschenbild, das der Bedeutung von Subjektivität und Individualität gerecht werden sollte. Dabei würde das beobachtbare Verhalten eine geringere Rolle spielen als die subjektiven Bedürfnisse, Gefühle, Erlebnisse, Wahrnehmungen und inneren Überzeugungen. Carl Rogers prägte den Begriff des „emotionalen Selbst“.

Diese aus dem historischen Hintergrund verständliche Überhöhung und Heiligung des Subjektiven verlangte natürlich wiederum eine Antwort, die diesmal teilweise aus den Reihen der Humanisten selbst kam. Abraham Maslow und Roberto Assagioli, beides Mitbegründer der Transpersonalen Psychologie (im folgenden mit TP abgekürzt), sahen die Notwendigkeit, nun nicht mehr den Menschen als Mittelpunkt des Universums zu betrachten, sondern vielmehr als Teil des Lebens auf diesem Planeten und insofern als Teil des Universums. Die zu subjektzentrierte und anthropozentrische Perspektive der humanistischen Psychologie musste relativiert werden durch eine umfassendere Schau, in der seelische Gesundheit auch daran gemessen werden kann, inwieweit das Individuum eine Beziehung zur größeren Einheit des gesamten Lebens hat und sich als untrennbarer Teil davon erfährt. Ein Mensch, der aus einem solchen „transpersonalen Bewusstsein“ heraus lebt, wird nicht mehr imstande sein, anderen Lebewesen zu schaden, ebenso wenig wie sich selbst.

Assagiolis Modell der Psychosynthese berücksichtigt drei Dimensionen: Die intrapersonale Beziehung des Ich zu seinem Unbewussten und seinen Teilen, die interpersonale Beziehung zu seinen Mitmenschen und die transpersonale Beziehung zu dem, was Theisten „Gott“, Biologen „Evolution“, Physiker „Universum“ und Buddhisten „Leerheit“ nennen. Gerade weil die TP den Anspruch hatte, kulturspezifische Normen, Glaubensvorstellungen und Konfessionen zu hinterfragen und zu relativieren, wie auch „das Göttliche“ aus den organisierten Religionen zu befreien und ihren Dogmen zu entheben, erschien die Definition des „Transpersonalen“ zunächst als ein schwieriges Unterfangen. Dass aber dennoch die Kommunikation darüber möglich war und sich ein guter Konsens herausstellte, egal ob die Kollegen Christen, Juden, Buddhisten, Taoisten oder Agnostiker waren, konnte den gemeinsam geteilten und kommunizierten Erfahrungen eines transpersonalen Bewusstseins zugeschrieben werden, das im Unterschied zum sprachlich und kulturell geprägten Denken von einer ursprünglicheren, umfassenderen, den Verstand übersteigenden Dimension kündet. Ferner wurde betont, dass keine Religion das alleinige Patent auf transpersonale Werte wie Liebe, Mitgefühl, Wahrheit oder Erleuchtung besitzt, und dass sich das, wofür der Begriff „Gott“ eigentlich steht, keiner Religion oder Lehre unterordnen lässt.

Die Liste der 32 Mitherausgeber des „Journal for Transpersonal Psychology“, das zum ersten Mal 1969 unter der editoriellen Leitung von Alexander Sutich erschien, vermittelt einen Eindruck von dem Feuer der ansteckenden Begeisterung der Pioniere der TP. Mehr und mehr psychologische Forscher und Therapeuten fühlten sich von den Inhalten und Zielen der TP angesprochen und machten mit, darunter Roberto Assagioli, Viktor Fankl, Stanislav Grof, Abraham Maslow, Michael Murphy und Alan Watts (Andersen 1983).

Als wichtigstes Zentrum der ersten Phase gilt das im Jahre 1962 von Michael Murphy und Richard Price gegründete Esalen-Institut in Big Sur, Kalifornien. Viele namhafte Pioniere der humanistischen und transpersonalen Psychologie waren dort als Lehrer oder Forscher tätig, unter anderem Stanislav Grof, Virginia Satir, Fritz Perls, Ram Dass, Anthony Sutich, Claudio Naranjo, Will Schutz, Roger Walsh, Francis Vaughan, Joe Adams, Carlos Castaneda, Timothy Leary, Jon Lilly, Stuart Miller, George Brown, Julian Silverman, Charles Reich und Robert Gerard (vgl. Anderson 1983).

Zu Beginn der 70er Jahre vermittelte Robert Gerard einen Kontakt zwischen Michael Murphy und Roberto Assagioli, dem Begründer der Psychosynthese. Murphy sprach von Assagioli in höchst lobenden Tönen. Assagioli war nicht nur ein Pionier der transpersonalen Psychologie, sondern auch ein verkörpertes Beispiel für das, was er lehrte. In „The New Yorker“ war folgender Artikel über den Besuch von Murphy in Italien zu lesen: “Assagioli`s work had seemed to Murphy to be remarkably close in spirit not only to that of Maslow and the other humanistic psychologists but also to the thinking of Aurobindo. “What Aurobindo called yoga, what Abe Maslow called self-actualization, what Fritz Perls called organismic integrity, Assagioli called psychosynthesis”, Murphy said recently. “All these share basically the same idea – that there is a natural tendency toward evolution, toward unfoldment, that pervades the universe as well as the human sphere, and that our job now is to get behind that and make it conscious. But the disciples that emerge to deal with this unfoldment have to reflect the many-sidedness of the human psyche, and this is why psychosynthesis is so valuable. Assagioli himself was really a man of very wide European culture. He was the truest sage I`ve ever met” (aus dem Archiv des Centro di Studi di Psicosintesi, Firenze).

Die TP etablierte sich in den 70er Jahren als eine zukunftsweisende Bewusstseinswissenschaft, die sowohl in den Bereichen des Forschens, wie auch des Lehrens und Anwendens zum Tragen kam. Auch wenn sie unter diesem Namen heute nicht mehr so populär ist wie in den 60ern und 70ern, und auch noch nie ihren Durchbruch, ja vielleicht noch nicht einmal eine angemessene Akzeptanz und Würdigung in den Hochschulen erhielt, beeinflusste sie unsere heutige Therapieszene, die professionellen Weiterbildungen für Therapeuten und die moderne Bewusstseinsforschung vielleicht mehr als jede andere Strömung in der Geschichte der Psychologie und Psychotherapie. Dennoch wird sie unter diesem Namen von vielen Kollegen bereits als Dinosaurier betrachtet, als ob sie von der Verhaltensmedizin, Verhaltenstherapie und Gehirnforschung überholt worden wäre. Aber die Reihenfolge war umgekehrt. Zeitgeschichtlich betrachtet war es die TP, die letztere drei Disziplinen beeinflusste und inspirierte. Wer an den Universitäten Angst um seinen Ruf hatte, vermied es einfach nur, die TP auch nur namentlich zu nennen, geschweige denn mit ihr zu sympathisieren. Sie war vor allem den deutschen Psychologie-Professoren, die immer noch die Geburt dieser relativ neuen, seit jüngster Zeit anerkannten Wissenschaft „Psychologie“ feierten, zu esoterisch. Die Psychologie sollte naturwissenschaftlicher werden, nicht philosophischer und schon gar nicht spirituell!

Heute ist es völlig legitim, wenn die spirituellen Angelegenheiten des Lebens Gegenstand von Forschung, Psychotherapie und Weiterbildung werden. Therapeuten dürfen nicht nur, ja sie sollen meditieren und Yoga machen. Sie sollen ein gutes Vorbild für ihre Patienten sein und ihre eigene Psychohygiene fördern, um z.B. bei sich selber Burnout-Erkrankungen zu vermeiden. In manchen Kliniken werden die Therapeuten dazu verpflichtet, in einem bestimmten Zentrum mindestens einmal im Jahr ein Meditations-Retreat zu absolvieren. Transpersonale Psychologen warnten jedoch schon immer vor einer Normierung, Institutionalisierung oder Verordnung von Spiritualität. Meditation darf nicht erzwungen werden, sie muss freiwillig bleiben. Eine Motivation beim Klienten darf aufgebaut und gefördert werden, aber letztlich muss sie aus ihm selbst heraus kommen. Außerdem gibt es keine Methode, die für alle Menschen gleichermaßen geeignet ist. Sie muss zum individuellen Typ bzw. zur aktuellen psychologischen Situation passen. Dann ist auch die Wahl des Ortes und spirituellen Kontextes nicht unbedeutend. Die Förderung von Abhängigkeiten (z.B. Guru-Kult), finanzieller Ausbeutung (z.B. bei Sekten) oder Hegonomie (z.B. bei religiösen Vereinigungen) sollte vermieden werden, denn eigentlich dient Meditation der Befreiung und sollte nicht dazu missbraucht werden, in neue Abhängigkeiten zu führen. Die Transpersonale Psychologie jedenfalls ist eine Psychologie der Befreiung. 

Ein Kritikpunkt an der TP betrifft die mangelnde empirische Forschung. Transpersonale Forschung wurde meist in nur recht kleinen Stichproben betrieben. Oft basierte sie auch nur auf Einzelfallstudien. Die Stärken der ersten transpersonalen Psychologen lagen eher im theoretischen, abstrakten und intuitivem Denken. Sie konnten verschiedene Modelle zusammenbringen, miteinander in Beziehung setzen und neue, mehr oder weniger geeignete Modelle selbst entwickeln, um die Lücken der Entwicklungs- und Bewusstseinspsychologie zu den höheren Bereichen seelischer Gesundheit und spirituellen Erwachens hin zu schließen. Der Prototyp und seinerzeit populärste Vertreter solcher eklektischer Modelle war der Autor Ken Wilber. Von Maslow gibt es Feldstudien und qualitative Forschung zu Selbstverwirklichung und Selbsttranszendenz. Frankl und Assagioli waren als Nervenärzte und Therapeuten mehr mit der Praxis beschäftigt und ihre Forschung beschränkte sich daher auf Einzelfallstudien. Viele ihrer Schüler führten ebenfalls vergleichende Einzelfallstudien durch. Eine Minderheit der TP sah die Notwendigkeit ein, empirische Forschung an größeren Stichproben zu betreiben und ging in die Meditationsforschung.

Die Methode, die sich seit Jahrtausenden bewährt hat, um transpersonale Bewusstseinszustände zu kultivieren und die transpersonale Entwicklung des Menschen zu fördern, wird in allen spirituellen Traditionen Meditation genannt. Sie ist aufgrund ihrer empirischen Zugänglichkeit bestens für wissenschaftliche Studien und Experimente geeignet. Transpersonal orientierte Meditationsforscher waren zunächst, im Gegensatz zu den biologisch orientierten Neurowissenschaftlern, eher an den Phänomenen der Bewusstseinserweiterung als an den gesundheitlichen Wirkungsweisen interessiert. Sie erforschten mehr die Bereiche und Korrelate der Selbsttranszendenz als die bloßen Entspannungsreaktionen, die durch eine meditationsbasierte Selbstregulation erzielt werden. Heute wissen wir, dass beides Hand in Hand geht. Selbsttranszendenz benötigt ein gewisses Maß an Selbstregulation, um sich stabil und gesund entfalten zu können und Selbsttranszendenz übt wiederum heilsame Wirkungen auf das psychobiologische Gleichgewicht aus.

Die Ergebnisse zu den gesundheitlichen Wirkungen von Meditation sind natürlich für die Bereiche der klinischen Psychologie, insbesondere der Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin von enormer Bedeutung. Es liegt inzwischen ausreichend empirische Evidenz vor, um mit Sicherheit sagen zu können, dass Meditation einen gesundheitlichen Nutzen bei Stress- und Burnout-Syndromen, Bluthochdruck und kardiovaskulären Erkrankungen, emotionalen Störungen wie Depressionen und Ängsten, chronischen Schmerzen, Allergien, Neurodermitis und Psoriasis sowie einer Reihe von Verhaltensstörungen wie Stottern oder ADHS aufweist (Engel 1999). Somit sind meditative Verfahren als Ergänzung zu den üblichen therapeutischen Behandlungsmethoden bei vielen Störungsbildern sehr zu empfehlen. Nicht minder beeindruckend sind jedoch die Ergebnisse der Meditationsforschung bei „normal“- gesunden Menschen. Langzeitmeditierende weisen eine überdurchschnittliche seelische Gesundheit auf, sind sinnerfüllter, selbstvergessener, liebesfähiger, ebenso autonomer, expansiver, selbstbewusster und beschwerdefreier als nichtmeditierende Gesunde (Piron 2003). Meditierende verfügen über bessere Selbstregulationskompetenzen, weisen höhere Grade von Selbstverwirklichung auf und sind gleichzeitig weniger selbstbezogen, sondern mehr selbst-transzendent. Somit lässt sich bei Meditation ein Breitbandeffekt feststellen, der sowohl die körperliche, die personale und die transpersonale Ebene betrifft. Sie fördert also eine gesunde Integration und Synthese biologischer Gesundheit, personaler Stabilität (Autonomie, Selbstwertgefühl, Expansivität) und transpersonaler Offenheit (Selbstvergessenheit, Liebe, Sinnerfülltheit) (vgl. Piron 2003).

Die positiven Wirkungen von Meditation auf das Gehirn sind ebenso zahlreich: Meditation fördert die Vernetzung der verschiedenen Gehirnregionen untereinander, reduziert die für Stress, Angst, Depression und Zorn typischen neuronalen Reaktionsmuster und (degenerativen) Prozesse, fördert die für Empathie, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Konzentration typischen neuronalen Muster, beschleunigt die Neubildung von Gehirnzellen bzw. Nervenfasern in der weißen und grauen Substanz und korreliert mit Gehirnwellen, die sowohl für psychophysiologische Entspannung wie auch für geistige Wachheit stehen.

Früher, vor der Jahrtausendwende, dominierten die Studien zur Transzendentalen Meditation (TM)  die Meditationsforschung. Es waren die TM-Mitglieder (Transzendentale Meditation), darunter natürlich vor allem die TM-Lehrer, die gleichzeitig in der medizinischen, biologischen oder psychologischen Forschung tätig waren, die solche Studien planten und unter den TM-Praktizierenden unter den typischen TM-Rahmenbedingungen durchführten. Dieser Umstand, dass die Forscher nicht neutral waren, führte zusätzlich zu den Selektionseffekten auch zu den sog. Versuchsleitereffekten. Dazu kam, dass sich die TM als Organisation in wissenschaftlichen Kreisen wie in der breiten Öffentlichkeit zunehmend unbeliebter machte, da die kapitalistischen Interessen immer mehr ans Licht kamen. Bereits die erste Meditationseinweisung kostet(e) ein Vermögen. Spirituelle Aufstiegschancen hängen natürlich weiterhin vom Geldbeutel ab. Viele ihrer Mitglieder haben sich hoch verschuldet. Viele andere Sekten, die z.B. auf der Seite der evangelischen Sektenberatungsstelle zu finden sind, gingen oder gehen ähnlich vor.

Die Meditationsforschung seit der Jahrtausendwende ist buddhistischer geworden. Die Achtsamkeitsmeditation, bei der nicht ein gekauftes Mantra wie bei der TM sondern die kostenlose Atmung als Aufmerksamkeitsfokus dient, ließ sich ebenso gut erforschen. Die Effekte, wie oben bereits genannt, sind nicht minder interessant. Sie spielen im heutigen Gesundheitswesen, in der Psychotherapie, Verhaltensmedizin und in den stationären Therapieprogrammen sämtlicher psychosomatischer Kliniken eine nicht mehr wegzudenkende Rolle. Infolge der zunehmenden Popularität des Buddhismus im Westen, sowohl bei Ärzten, Psychologen, Sozialwissenschaftlern wie auch bei Sinnsuchern generell, kann ein enormer Zuwachs an psychologischen Therapieansätzen verzeichnet werden, der einen buddhistischen Hintergrund aufweist. Früher, in den 60er Jahren, gab es bereits psychotherapeutische Ansätze, die unter anderem durch den Zen-Buddhismus inspiriert wurden, darunter vor allem die Gestalttherapie von Fritz Pearls und die Rational-Emotive (Verhaltens-)Therapie von Albert Ellis. Wichtige Vorarbeit für die Integration des „Zen-Geist“ in die Psychologie und Psychotherapie leistete vor allem auch Erich Fromm. Sein Werk "Haben oder Sein" war sehr essenziell und wegweisend. Er hatte den Zen absorbiert, ohne sich damit zu identifizieren.

Interessanterweise waren es dann aber vielmehr Verhaltenstherapeuten, die buddhistische Ansätze integrierten, als Tiefenpsychologen, geschweige denn Psychoanalytiker. Ende des letzten Jahrtausends entstanden drei sehr interessante verhaltenstherapeutische Ansätze, die heute der sog. „dritten Welle“ zugeordnet werden. Als erstes wäre da die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) zu nennen. Marsha Linehan hat dieses verhaltenstherapeutische Vorgehen zur Behandlung von Borderline-Patienten entwickelt. In Modul-Form werden hier achtsamkeitsbasierte „Skills“ – das sind Fertigkeiten im Umgang mit sich und mit anderen – erlernt, um aus den für Borderline typischen Denk- und Verhaltensmustern der Extreme auszusteigen. Dabei gilt es also, den Weg der Mitte zu finden und täglich zu üben. Danach kamen die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) von Steven C. Hayes und die Mindfullness Based Cognitive Therapy (MBCT) von Zindel V. Segal, J. Mark G. Williams und John D. Teasdale. In der ACT geht es darum, Vermeidungsmotivierte Reaktionsmuster wie Flucht und Lethargie durch Akzeptanz und Werte-motiviertem Verhalten zu ersetzen. In der MBCT werden ehemals depressive Patienten dahingehend trainiert, eine innere Distanz zu den automatischen Gedanken und Grübeleien herzustellen, die für Rückfälle von Depressionen von Bedeutung sind. Sie erlernen hierzu die Kunst der Achtsamkeitsmeditation, nicht nur auf die Sinne, sondern vor allem auch auf die Gedanken bezogen. Eine jüngere Form der dritten Welle ist die Compassion Focused Therapy (CFT) von Paul Gilbert, in der die Entwicklung von Selbst-Mitgefühl eine zentrale Rolle spielt.

Was diese 4 Ansätze gemeinsam haben, ist ihre Fundierung einerseits auf buddhistischen Prinzipien wie vor allem Achtsamkeit, Akzeptanz und Mitgefühl, andererseits auf den Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie. Sie treten somit auch in die Fußstapfen der TP, ob sie dies wollen bzw. wissen oder nicht. Dabei greifen sie sich jedoch lediglich immer nur einen Aspekt heraus, wie z.B. Achtsamkeit (MBCT), Akzeptanz (ACT) oder Mitgefühl (CFT) und gründen darauf ihren Therapieansatz. Für manche Kollegen scheint die dritte Wellte der VT die viel ältere TP abgelöst oder ersetzt zu haben. Es gibt jedoch grundlegende Unterschiede: Die TP führte zu einer Revolution des Menschenbildes und Bewusstseinsbegriffs, ähnlich wie die Quantenphysik das Weltbild und den Wirklichkeitsbegriff der Teilchenphysik und des Materialismus revolutionierte. Die Ansätze der dritten Welle blieben jedoch weitgehend dem Behaviorismus oder dem Kognitivismus verpflichtet und ordneten sich bereitwillig der kognitiven Verhaltenstherapie zu. Achtsamkeit wird in den Ansätzen der dritten Welle als eine zentrale kognitive Fertigkeit erachtet und als solche in die bereits existierenden Selbstregulationsmodelle der KVT integriert.

In den Ansätzen der TP wird jedoch ein Bewusstsein angenommen, das jenseits aller Emotionen und Kognitionen, auf einer dem Kognitiven, Emotionalen und Biografischen übergeordneten Ebene existiert. Dieses transpersonale Bewusstsein lässt sich nicht an sich beweisen oder wissenschaftlich erfassen bzw. messen. Dieser Umstand ist eigentlich der einzige Kritikpunkt, den sich die TP immer wieder gefallen lassen musste. Doch damit hatte sie nie Probleme. Liebe, Mitgefühl, Schönheit und Unendlichkeit lassen sich ja auch nicht beweisen, messen oder wissenschaftlich erfassen. Doch das schmälert ihren Wert keinesfalls. Genau wie Liebe auch, lässt sich transpersonales Bewusstsein erleben, bezeugen und auf die eine oder andere Weise mitteilen. Die Früchte, die daraus erwachsen, lassen sich jedoch wissenschaftlich erfassen. Nichts anderes tut z.B. die Meditationsforschung.

Ein anderer Unterschied zur dritten Welle und den buddhistischen Ansätzen besteht in der überkonfessionellen, transkulturellen Orientierung. Die TP ist keiner Religion und keinen religiösen Begrifflichkeiten verpflichtet und steht auch keiner bestimmten Religion näher als einer anderen. Das können die Ansätze der dritten Welle nicht behaupten. Sie stehen dem Buddhismus eindeutig näher als den anderen Religionen bzw. bekennen sich sogar zu ihm. Weiterhin beschränkt sich die TP nicht auf eine bestimmte Qualität wie z.B. Achtsamkeit oder Mitgefühl, sondern es ist ihr ein Anliegen, das ganze Spektrum der essenziellen Qualitäten des transpersonalen Bewusstseins zu erforschen, in der Therapie anzuwenden und bei den Klienten zu fördern bzw. zu erwecken. Diese (mit Assagioli gesprochen) „transpersonalen Qualitäten“ lassen sich nicht in ein kognitives oder behavoristisches Modell einordnen, es handelt sich nicht um kognitive Haltungen oder erlernbare Verhaltensmuster, sondern um (spontane) Erlebnisqualitäten, Handlungsbereitschaften und Früchte eines transpersonalen Bewusstseins: Verbundenheit, Wertschätzung, Dankbarkeit, Hingabe, Demut, Mut, Würde, Freude, Liebe, Frieden, Harmonie, Begeisterung, Intuition, Bewusstseinsklarheit, Durchlässigkeit bzw. Offenheit für Transzendenz, Eins-Sein, Fließen, im Einklang sein usw., also im Grunde das, was Maslow mit „Seins-Werten“ bezeichnete. Die TP betont daher, dass diese sich nicht separat verstehen und dann wie Kompetenzen trainieren lassen, sondern eher ganz natürliche Emanationen des transpersonalen Bewusstseins darstellen, wie z.B. die Strahlen der Sonne. General-Ziel der TP ist somit die Stabilisierung eines transpersonalen Bewusstseins und dann die Generalisierung transpersonaler Qualitäten im Alltag, also ihre natürliche Präsenz im täglichen Erleben und Handeln.

  

Literatur

Anderson, W.T. (1983): The Upstart Spring. Esalen and the Human Potential Movement: The first twenty years. Backinprint.com Edition/iUniverse, Lincoln.

Assagioli, R. (1978): Psychosynthese - Prinzipien, Methoden und Techniken. Aurum Verlag, Freiburg.

Assagioli, R. (1992): Psychosynthese und transpersonale Entwicklung. Junfermann Verlag, Paderborn.

Assagioli, R. (1982): Die Schulung des Willens. Methoden der Psychotherapie und der Selbsttherapie. Junfermann-Verlag, Paderborn.

Engel, K. (1999): Meditation. Geschichte, Systematik, Forschung, Theorie. Peter Lang, Frankfurt/M., Berlin, Bern.

Maslow, A. (1968): Towards a psychology of being. 2nd edition. Van Nostrand Reinhold Company, New York.

Piron, H. (2003): Meditation und ihre Bedeutung für die seelische Gesundheit. Transpersonale Studien Bd. 7. BIS-Verlag, Oldenburg.

Piron, H. (2005): Meditatives Gewahrsein in der Verhaltenstherapie. Auf dem Weg zu einer transpersonalen Wende? In: Bewusstseinstransformation als individuelles und gesellschaftliches Ziel (Hrsg.: Belschner, W., Piron, H., Walach, H.). Psychologie des Bewusstseins Bd. 1. LIT-Verlag, Münster. 147-173.

Piron, H. (2007): Transpersonale Verhaltenstherapie. Von der Stagnation zur Transformation. Via Nova, Petersberg.